Neues Register steigert nicht die Anzahl der Organspenden.

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Stand: 18.03.2025 11:11 Uhr

Vor einem Jahr wurde ein Online-Register für Organspender eingeführt. Die Hoffnung war groß, damit die niedrige Zahl von Organspenden in Deutschland steigern zu können. Die erste Zwischenbilanz fällt enttäuschend aus.

Axel John

Vor gut eineinhalb Jahren verbrachte Dieter Büttner auf der Intensivstation der Mainzer Universitätsmedizin eine kritische Zeit. Der 63-Jährige brauchte dringend eine neue Leber – und das innerhalb weniger Stunden. Nach der ersten Operation wies sein Körper das Transplantat ab. „Wir mussten die gerade erst transplantierte Leber sofort wieder entfernen und den Patienten mit der höchsten Dringlichkeitsstufe auf die Warteliste setzen,“ erklärte Hauke Lang, Direktor der Klinik für Transplantationschirurgie.

Danach begann das bange Warten. „Das war eine Extremsituation. Denn ohne Leber ist ein Überleben nur in Ausnahmefällen länger als 20 Stunden möglich.“ Am Ende wartete Dieter Büttner 38 Stunden, bis ihm eine neue Leber transplantiert werden konnte. Diesmal verlief alles reibungslos.

Heute führt er ein weitgehend normales Leben. Dieter Büttner hat großes Glück gehabt. „Ich denke oft an den Spender. Ich bin sehr dankbar, dass er zu Lebzeiten verfügt hat, dass seine Organe verwendet werden können.“

Ein Jahr Organspenderegister

Deutschland zählt zu den Ländern in Europa, in denen die wenigsten Organe gespendet werden. Um dies zu ändern, wurde vor einem Jahr das Organspenderegister online gestellt. Nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte haben sich bisher etwas mehr als 280.000 Menschen registriert.

Es handelt sich um ein zentrales Verzeichnis, in dem die Entscheidung für oder gegen eine Organspende festgehalten wird. Der Eintrag ist kostenlos und kann jederzeit geändert werden. Ziel ist es, das gesamte Verfahren zu vereinfachen. Laut „Deutscher Stiftung Organspende“ (DSO) stehen über 8.200 Menschen in Deutschland auf den Wartelisten für ein Organ.

Der praktische Nutzen des neuen Registers ist jedoch enttäuschend. Laut DSO haben im vergangenen Jahr 953 Menschen nach ihrem Tod Organe für die Transplantation gespendet. Für 2023 wurden mit 965 sogar leicht mehr registriert. Der medizinische Vorstand der DSO, Axel Rahmel, stellt dazu fest: „Die Situation der Patientinnen und Patienten, die dringend auf eine Organspende warten, bleibt dramatisch.“

Dabei scheint in der Bevölkerung eine hohe Bereitschaft zur Spende vorhanden zu sein. Laut einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA) haben 85 Prozent der Befragten eine positive Einstellung zur Organspende. Dies stellt einen neuen Höchstwert dar, so die BzGA.

Trotzdem bleibt der eklatante Mangel an Spenderorganen in Deutschland bestehen. Woran liegt das?

Die Gesetzeslage ist in Deutschland kompliziert

Julia Weinmann-Menke leitet die Abteilung für Nierentransplantationen der Medizinischen Klinik in der Mainzer Unimedizin. Dort werden Nieren, Leber und teils auch Bauchspeicheldrüsen transplantiert. Die Fachärztin zeigt sich besorgt über die Entwicklung.

„Wir haben in Mainz etwa 200 Patienten auf der Warteliste zur Nierentransplantation. Rund 50 Nierentransplantationen pro Jahr können wir umsetzen,“ so Weinmann-Menke. „Die Wartelisten werden länger. Hier zeigt sich wohl der demographische Wandel. Wir haben zu wenig Organangebote.“

Inzwischen müssen wir sogar Spenden von Risikopatienten akzeptieren – etwa von über 70-Jährigen oder Menschen mit Vorerkrankungen wie Bluthochdruck. „Das hätten wir vor zehn Jahren nicht gemacht.“ Darüber hinaus ist die Dialyse auf Dauer keine Lösung. „Diese Patienten haben eine deutlich verkürzte Lebenserwartung. Ich kann den körperlichen Verfall über die Jahre beobachten. Das belastet mich sehr.“

Die Lösung für Weinmann-Menke ist die Widerspruchslösung. Diese gilt in vielen Ländern Europas – etwa in Frankreich, Irland, Italien oder Spanien. Wer vor seinem Tod nicht widerspricht, gilt automatisch als Organspender. „Ich sehe kein rationales Argument dagegen. Auch meine ausländischen Kollegen sind über unsere endlosen Debatten erstaunt,“ so die Fachärztin. „Am Ende schüren die sich wiederholenden Diskussionen nur Unsicherheit. In angrenzenden Ländern ist das eine Selbstverständlichkeit und gesellschaftlich akzeptiert.“

In Deutschland gilt die Entscheidungslösung

In Deutschland gilt die Entscheidungslösung. Danach ist eine Organspende nur dann möglich, wenn die betreffende Person zu Lebzeiten eingewilligt hat oder dessen nächste Angehörige zustimmen. Allerdings gibt es noch weitere Einschränkungen.

„In Deutschland ist der Hirntod Voraussetzung für die Organspende. Im Ausland hingegen dürfen Organe unter bestimmten Umständen auch entnommen werden, wenn das Herz aufgehört hat zu schlagen. Wir dürfen solche Organe nicht annehmen, was die Knappheit weiter verschärft,“ erklärt Klinikdirektor Hauke Lang. „Viele akut lebensbedrohlich erkrankte Patienten kommen wegen strenger Auflagen nicht auf die Wartelisten oder haben nur geringe Chancen auf ein Spenderorgan. Tumoren dürfen zum Beispiel eine bestimmte Größe nicht überschreiten. Liegen sie auch nur knapp darüber, gibt es kaum eine Chance auf eine Transplantation.“

Politik dreht sich im Kreis

Der Bundestag hatte noch Anfang Dezember über das Thema debattiert. Konkretes Thema war ein fraktionsübergreifender Gesetzentwurf zur Widerspruchsregelung.

Die SPD-Abgeordnete Sabine Dittmar gehörte zu den Befürwortern des Antrags. „Wir brauchen einen Paradigmenwechsel in der Organspende,“ sagt sie. Es sei viel unternommen worden, um die Rahmenbedingungen für die Organspende zu verbessern – ohne Erfolg, so Dittmar.

Auch der Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann von der CDU, wies darauf hin, dass Deutschland ohne Organe aus dem Ausland noch schlechter da stehen würde. „Wir sind ein Nehmerland.“

Widerspruch kam unter anderem von der FDP. „Das Selbstbestimmungsrecht über den Tod hinaus ist ein Grundpfeiler unserer Verfassungsordnung,“ erklärte die FDP-Abgeordnete Kristine Lütke.

Auch aus der AfD hieß es, dass der Körper nicht der Gesellschaft, sondern dem einzelnen Menschen gehöre. Es wurden viele Argumente vorgebracht, die allerdings bereits seit vielen Jahren ausgetauscht werden. Währenddessen warten Tausende Menschen weiterhin auf ein lebensnotwendiges Organ – jeden Tag.

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