ARD-Wahlforum: Überprüfung der Aussagen der Kandidaten anhand von Fakten

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Stand: 18.02.2025 04:09 Uhr

Die Kanzlerkandidaten haben sich in der ARD-Wahlarena den Fragen der Bürger gestellt. Während ein Großteil der Antworten korrekt war, waren einige Aussagen fehlerhaft.

Carla Reveland
Pascal Siggelkow, SWR

In der ARD-Wahlarena haben die Kanzlerkandidaten der vier größten Parteien, Friedrich Merz (CDU), Olaf Scholz (SPD), Alice Weidel (AfD) und Robert Habeck (Grüne), die Fragen des Publikums beantwortet. Die Fragen deckten diverse Themen ab. Während Merz, Scholz und Habeck nur wenige falsche Angaben machten, waren Weidels Aussagen an mehreren Punkten inkorrekt.

Falsche Aussage über Insolvenzrate

Weidel behauptete in Bezug auf die wirtschaftliche Lage in Deutschland, dass die Insolvenzrate die höchste seit 25 Jahren sei. Diese Aussage wird durch die Zahlen nicht gestützt. Laut der Wirtschaftsauskunftei Creditreform betrug die Insolvenzrate im letzten Jahr 72 Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen. Dies ist weit entfernt vom Spitzenwert von 135 Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen im Jahr 2003.

Creditreform schätzt für das vergangene Jahr insgesamt 22.400 Unternehmensinsolvenzen, was ebenfalls kein Höchststand ist.

Nicht die höchsten Energiepreise in Deutschland

Weidel behauptete zudem, dass Deutschland die weltweit höchsten Energiepreise hat. Auch das ist nicht korrekt. Laut dem Energiedienst Global Petrol Prices (GPP) liegt Deutschland in keinem der aktuellen Energiepreisvergleiche an erster Stelle. So belegt Deutschland im internationalen Vergleich der Strompreise im Juni 2024 Platz 3 und im Bereich Erdgas Platz 14.

Neuere Vergleiche zeigen für den 10. Februar 2025, dass Deutschland bei Benzin (Platz 19) und Diesel (Platz 21) sowie bei Heizöl (Platz 19) abschneidet.

Auch eine Analyse des Vergleichsportals Verivox, die 147 Länder auf Basis der GPP-Daten im 1. Quartal 2024 untersucht hat, widerlegt Weidels Behauptung. Bei den Strompreisen belegt Deutschland Rang 9 und kaufkraftbereinigt sogar nur Platz 21. In der Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer steht Deutschland jedoch auf Platz 2 hinter Italien.

Irreführende Aussage über EU-Kommission

Auf die Frage, warum die AfD einen Ausstieg aus der EU anstrebe, sagte Weidel, dass dies von der Partei nicht gefordert werde. Tatsächlich ist die frühere Forderung nach einem „Dexit“, dem Austritt Deutschlands aus der EU, im aktuellen Wahlprogramm der AfD nicht mehr zu finden. Stattdessen strebt die Partei einen „Bund europäischer Nationen“ an, den sie als „neu zu gründende europäische Wirtschafts- und Interessensgemeinschaft“ bezeichnet.

Allerdings ist Weidels Aussage zur EU-Kommission irreführend. Der Präsident der EU-Kommission wird vom Europäischen Rat vorgeschlagen und bedarf der Wahl durch das Europäische Parlament mit absoluter Mehrheit. Zudem werden die Kommissare, die vom Rat im Einvernehmen mit dem Präsidenten vorgeschlagen werden, vom Parlament überprüft und in einem einzigen Zustimmungsakt bestätigt.

Das Europäische Parlament, der Europäische Rat und der Rat der EU bestehen aus gewählten Vertretern und Regierungsmitgliedern der EU-Staaten.

Nur wenige Totalverweigerer beim Bürgergeld

Friedrich Merz, der Kanzlerkandidat der Union, äußerte sich zum Bürgergeld und diejenigen, die nicht arbeiten, aber arbeiten könnten, würden in Zukunft kein Bürgergeld mehr erhalten. Dies betreffe schätzungsweise 1,8 Millionen Bürgergeldempfänger. Diese Aussage ist jedoch irreführend.

Laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) gibt es in Deutschland etwa 1,8 Millionen erwerbsfähige, arbeitslose Bürgergeldempfänger. Das bedeutet, dass diese Menschen in der Theorie arbeiten könnten. Allerdings haben viele von ihnen laut BA Vermittlungshemmnisse wie fehlende Ausbildung, längere Arbeitslosigkeit, ein Alter über 55 Jahre oder eine Schwerbehinderung.

Nur etwa 235.000 der erwerbsfähigen Arbeitslosen weisen keine dieser Merkmale auf. Eine BA-Sprecherin erklärte dem Spiegel, dass diese Personengruppe jedoch nicht automatisch als Totalverweigerer gilt. Zum Beispiel gelten alleinerziehende Eltern als voll vermittelbar, wenn ihre Kinder über drei Jahre alt sind, was auch Mütter betrifft, die für ihre vier- oder fünfjährigen Kinder keinen Betreuungsplatz haben. Die Zahl der sogenannten Totalverweigerer, die alle Jobangebote oder Weiterbildungen abgelehnt haben, wurde für das Jahr 2023 auf etwa 16.000 geschätzt.

Vergleich von Heizsystemen von vielen Faktoren abhängig

Wirtschaftsminister Robert Habeck sprach in der ARD-Wahlarena über die Kosten verschiedener Heizsysteme. Er erklärte, dass durch staatliche Förderungen der Betrieb von Wärmepumpen nach wenigen Jahren günstiger sein könne als der Betrieb einer Gasheizung. Diese Aussage ist prinzipiell nicht falsch, hängt jedoch von einer Vielzahl von Faktoren ab, darunter der Gebäudetyp, die Entwicklung der Strom- und Gaspreise sowie die CO2-Steuer.

In der Regel sind Wärmepumpen in der Anschaffung teurer als Gasheizungen, selbst mit staatlicher Förderung. Allerdings können die Betriebskosten über die Laufzeit hinweg günstiger ausfallen.

Eine Untersuchung des Kopernikus-Projekts Ariadne zeigt, dass die Wirtschaftlichkeit verschiedener Heizungstechniken stark vom CO2-Preis abhängt. Angesichts der zu erwartenden steigenden CO2-Preise könnte der Einsatz von Wärmepumpen über die Laufzeit hinweg für Einfamilienhäuser und bestehende Mehrfamilienhäuser wirtschaftlich sinnvoll sein.

Eine Analyse des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität Köln (EWI) für die Frankfurter Allgemeine Zeitung kam jedoch zu dem Ergebnis, dass der Einbau einer neuen Gasbrennwertheizung für ein bereits saniertes Einfamilienhaus in Nordrhein-Westfalen über die Laufzeit gerechnet günstiger ist als eine Luft-Wärmepumpe. Erst mit Einbauten ab 2027 könnte sich laut der Berechnung das Verhältnis zugunsten der Luft-Wärmepumpe ändern.

Aussagen von Scholz halten Überprüfung stand

Die Aussagen von Bundeskanzler Olaf Scholz hielten einer Überprüfung stand. Beispielsweise setzte sich Scholz während seiner Amtszeit als Arbeitsminister (2007-2009) dafür ein, die Löhne in der Pflege durch einen Mindestlohn zu erhöhen. Der Mindestlohn in Pflegeberufen wurde jedoch 2010 unter der damaligen Arbeitsministerin Ursula von der Leyen eingeführt. Die Untergrenze betrug in den westdeutschen Bundesländern 8,50 Euro pro Stunde und in Ostdeutschland 7,50 Euro. Seitdem ist dieser stetig gestiegen und liegt aktuell bei 15,50 Euro; ab Juli erhöht er sich auf 16,10 Euro.

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