Zwei Tage nach dem Vorfall: Ein Retter erzählt von seinen Erfahrungen

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Den einen Schnaps, den sich Tom Meyhack am Sonntagabend beim Griechen in Pasewalk genehmigte, hatte er sich mehr als verdient. Unmittelbar zuvor hatte er nämlich zwei Menschen möglicherweise das Leben gerettet. Das Erlebte, sagt der 20-Jährige zwei Tage danach, wird er „nicht so schnell vergessen“.

Unerwartete Wendung

Alles begann ganz normal. Aus Polen kommend, fuhr er die Bundesstraße 104 in Richtung Pasewalk, seine Freundin saß auf dem Beifahrersitz. „Wir waren Kaffeetrinken in Stettin“, erinnert er sich an den bisher ganz gewöhnlichen Sonntag. Der Nachmittag sollte in einer Pasewalker Gaststätte enden. Doch plötzlich gab es einen Aufprall und alles änderte sich.

„Ich sah einen schweren Unfall direkt vor uns. Mit einer Notbremsung konnte ich ausweichen. Ich bat meine Partnerin, den Notruf zu wählen, und dann eilte ich zu dem Fahrzeug, das am schwersten beschädigt war und bereits zu rauchen begann“, berichtet er.

Verknotete Fahrertür

Er musste nur wenige Schritte bis zum brennenden Auto zurücklegen – genug Zeit für unzählige Gedanken. „Was soll ich tun? Was ist am dringendsten? Bloß nichts falsch machen. Was könnte schiefgehen, und und und.“ Im ersten Auto sah er einen Mann, der im verrauchten Innenraum unter starken Schmerzen versuchte, die verkantete Fahrertür zu öffnen. Tom Meyhack handelte.

Mit beiden Händen bog er die Tür auf – ein Kraftakt, der ihm in diesem Moment „ganz normal“ vorkam, berichtet er. „Dann nahm ich den Mann und versuchte, ihn irgendwie herauszubekommen.“ Die „Dame“ im nächsten, ebenfalls brennenden Auto, „war benommen, vielleicht durch den Schock. Ich habe sie geweckt“, schildert der Retter.

Freundin beruhigt Zweifel

Nach und nach trafen die Rettungskräfte ein, zunächst Bundespolizisten, die zufällig in der Nähe waren, später Feuerwehrleute. Schritt für Schritt konnte Tom Meyhack die Verantwortung den Profis überlassen. Selbstzweifel, ob er alles richtig gemacht hat, wurden von seiner Freundin zerstreut. Im Polizeiauto wurde er später als Zeuge befragt. „Danach durfte ich gehen.“

Das Paar setzte seinen geplanten Tag fort. Ohne Umkleidestopp ging es direkt zum Griechen. „Ich war ja gut angezogen. Nur meine Jacke roch ein bisschen nach Qualm.“ Auch seine Arbeit als Azubi zum Bankkaufmann setzte er am Montag wie geplant fort.

Alles hat sich eingeprägt

Obwohl der Alltag weitergeht, als wäre nichts geschehen, sieht der Pasewalker manche Situationen nun anders als zuvor. Die Wucht der freigesetzten Kräfte, die rasante Geschwindigkeit, mit der Trümmerteile flogen, die Verletzten, die Bilder, die Geräusche, die Gerüche – alles hat sich eingeprägt.

„Beim Autofahren achte ich jetzt mehr auf den Gegenverkehr und schaue öfters in den Rückspiegel.“ Über sich selbst ist er im Nachhinein „erstaunt, dass ich einen kühlen Kopf bewahrt habe“, trotz oder wegen Angst und Adrenalin. Dass es möglich ist, eine Autotür mit bloßen Händen aufzubiegen, erscheint ihm inzwischen nicht mehr ganz so selbstverständlich. Er ist sich nicht einmal sicher, ob er das wiederholen könnte.

Zuschauer blieben untätig

„Heilfroh“ ist er darüber, dass alle überlebten, „dass nichts Schlimmes passiert ist“. Es tut ihm leid, dass die Menschen, die im Stau standen oder kehrtmachten, nicht geholfen haben – kein einziger.

Tom Meyhack war offenbar im entscheidenden Moment am richtigen Ort. Ein Wimpernschlag früher, und er hätte selbst ein Unfallopfer werden können. Ein paar Sekunden später, und seine Hilfe wäre möglicherweise zu spät gekommen.

So ereignete sich der Unfall

Ein 59-jähriger Dacia-Fahrer wollte gegen 17 Uhr kurz hinter Pasewalk nach links abbiegen. Aufgrund von Gegenverkehr musste er anhalten. Dies hatte die hinter ihm fahrende 24-jährige VW-Fahrerin zu spät bemerkt und war aufgefahren. Durch die Wucht des Aufpralls wurde der Dacia in den Gegenverkehr geschoben, wo er mit einem entgegenkommenden Skoda, in dem ein 58-Jähriger saß, kollidierte. Direkt hinter dem Skoda hatten Tom Meyhack und seine Begleiterin gesessen.


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