Trump nennt Selenskyj einen „Wahl-losen Diktator“.
Nachdem Trump die Ukraine für den anhaltenden Krieg verantwortlich gemacht hat, legt er nun nach: Der ukrainische Präsident Selenskyj sei ein „Diktator ohne Wahlen“, so seine Behauptung. In Deutschland sind die Reaktionen klar.
US-Präsident Donald Trump bezeichnete seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj als „Diktator“. „Er weigert sich, Wahlen abzuhalten, ist in ukrainischen Umfragen weit hinten und das Einzige, was er gut konnte, war, (US-Präsident Joe) Biden zu manipulieren“, schrieb Trump auf seinem Netzwerk Truth Social über den ukrainischen Präsidenten.
„Als Diktator ohne Wahlen sollte Selenskyj besser schnell handeln, sonst wird er kein Land mehr haben“, fügte der Republikaner hinzu. Währenddessen würden die Verhandlungen mit Russland über ein Ende des Krieges weitergeführt.
Trump verstärkt seine Kritik, nachdem er am Dienstag praktisch die Ukraine für die Fortdauer des russischen Angriffskriegs verantwortlich gemacht und dem Land Neuwahlen empfohlen hatte.
„Schrecklicher Job“
Trump warf Selenskyj, wie bereits am Vortag, vor, seine Aufgabe schlecht zu erfüllen. Der ukrainische Präsident habe einen „schrecklichen Job“ gemacht und wolle nun wahrscheinlich nur, dass die Hilfen weiter an die Ukraine flössen, so Trump. Indirekt gab er dem Ukrainer auch eine Mitschuld am Sterben in dem von Russland angegriffenen Land.
„Stellen Sie sich vor, ein mäßig erfolgreicher Komiker, Wolodymyr Selenskyj, hat die Vereinigten Staaten dazu überredet, 350 Milliarden Dollar auszugeben, um in einen Krieg zu ziehen, der nicht gewonnen werden kann und der nie hätte beginnen dürfen, aber einen Krieg, den er ohne die USA und ‚Trump‘ nie wird beenden können“, schrieb Trump und behauptete ohne Belege, die Hälfte des Geldes sei „verloren gegangen“.
Bereits zuvor hatte Trump behauptet, Selenskyjs Umfragewerte seien im Keller und es sollte Neuwahlen geben. In der Ukraine unterbricht das gegenwärtige Kriegsrecht Wahlen während eines Krieges: Die Wahl wurde aufgrund des russischen Angriffskriegs und der Verhängung des Kriegsrechts im Einklang mit der ukrainischen Verfassung verschoben.
Selenskyjs Befugnisse werden daher nicht infrage gestellt. Es gibt auch eine breite Einigkeit im Land, nicht zu wählen, solange geschossen wird, und die Teilnahme von Soldaten und Flüchtlingen im In- und Ausland schwierig wäre. Die Ukraine verteidigt sich seit Februar 2022 mit finanzieller und militärischer Unterstützung europäischer Staaten und der damaligen US-Regierung unter Präsident Biden gegen die russische Invasion.
Scholz: Trumps Aussagen „falsch und gefährlich“
Nach Trumps jüngsten Äußerungen schrieb der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha auf X, dass niemand sein Land zum Aufgeben zwingen könne. „Wir werden unser Recht auf Existenz verteidigen.“
Die Vereinten Nationen betonten, dass Selenskyj kein illegitimes Staatsoberhaupt sei. „Präsident Selenskyj ist nach den ordnungsgemäß abgehaltenen Wahlen im Amt“, sagte der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stéphane Dujarric.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz wies Trumps Vorwürfe zurück. „Es ist schlicht falsch und gefährlich, Präsident Selenskyj die demokratische Legitimation abzusprechen“, zitierte der Spiegel den SPD-Politiker. Selenskyj sei das gewählte Staatsoberhaupt der Ukraine. „Dass mitten im Krieg keine ordentlichen Wahlen abgehalten werden können, entspricht den Vorgaben der ukrainischen Verfassung und den Wahlgesetzen.“
Baerbock: „Vollkommen absurd“
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock widersprach dem US-Präsidenten ebenfalls. „Das ist vollkommen absurd“, sagte sie dem ZDF. „Wenn man nicht nur schnell twittert, sondern die wirkliche Welt sieht, dann weiß man, wer in Europa leider unter diktatorischen Verhältnissen leben muss: die Menschen in Russland, die Menschen in Belarus.“
Die Menschen in der Ukraine und die Regierung dort kämpften „jeden Tag für ihre freie Demokratie“, fügte die Grünen-Politikerin hinzu. „Wir unterstützen sie dabei als Europäerinnen und Europäer auf ihrem Weg in die Europäische Union, damit wir unsere Demokratien in Europa gemeinsam sichern.“
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz äußerte sich zu Trumps früheren Äußerungen, dass Kiew eine Mitschuld am russischen Angriffskrieg trage: „Das ist im Grunde genommen eine klassische Täter-Opfer-Umkehr.“ Dies entspreche dem russischen Narrativ von Präsident Wladimir Putin. „Und ich bin ehrlich gesagt einigermaßen schockiert darüber, dass Donald Trump das jetzt offensichtlich sich selbst zu eigen gemacht hat“, sagte Merz im ARD-Interview der Woche.
Selenskyj: Trump „lebt in Desinformationsraum“
Selenskyj wies zuvor in deutlichen Worten Trumps Behauptungen zurück, die Ukraine habe eine Mitschuld am russischen Angriffskrieg und hätte längst verhandeln sollen. Er wies auch Trumps Vorwürfe bezüglich seiner angeblich niedrigen Beliebtheitswerte zurück. Bei einer Pressekonferenz in Kiew verwies er auf Zustimmungswerte von über 50 Prozent in mehreren Umfragen.
Behauptungen über Werte von vier Prozent seien russische Desinformation, erklärte Selenskyj. Trump glaube diesen Falschinformationen. „Diese Desinformation ist uns aufgefallen. Wir wissen, dass das aus Russland kommt.“ Trump „lebt in diesem Desinformationsraum“, so Selenskyj.
Zuvor hatte Trump mit harschen Worten auf die Kritik der Ukraine reagiert, dass sie nicht zu dem Außenministertreffen der USA und Russlands eingeladen wurde. „Ich habe heute gehört: Oh, wir waren nicht eingeladen“, spottete der Republikaner – und fügte hinzu: „Nun, ihr seid seit drei Jahren dabei.“ Der Krieg hätte längst enden sollen, so Trump, der den Ukrainern eine Mitschuld gab: „Ihr hättet es nie anfangen sollen. Ihr hättet einen Deal machen können.“