Trump bildet eine Koalition gegen China – auf Kosten der Ukraine unter Selenskyj

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Ukrainischer Präsident Selenskyj in den USA
Eindeutige Schuldzuweisung: Für seine strategisch ausgerichtete Nähe zu Wladimir Putins Russland findet der US-Präsident Donald Trump (links) im ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj das perfekte Bauernopfer. © Ben Curtis/AP/dpa

Trump sucht in Putin einen Autokraten seines Kalibers, um China auszuhebeln. Die Europäer werden zur Marginalie, die Ukraine unter Selenskyj zum lästigen Bittsteller.

Washington D. C. – Als „ein beispielloses Spektakel vor den Fernsehkameras im Weißen Haus“, bezeichnet CNN-Analyst Zachary B. Wolf den historischen Moment im Oval Office. „Ich habe den Eindruck, da zerbricht gerade etwas“, hat Kerstin Klein gesagt. Die Washington-Korrespondentin der Tagesschau berichtete von dem, in ihren Worten, „Schreiduell“ zwischen dem US-Präsidenten Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj – Trump warf Selenskyj vor, durch seinen unbeugsamen Willen den Dritten Weltkrieg zu riskieren, indem er Sicherheitsgarantien für sein Land forderte – eine öffentliche Demütigung des Ukrainers. Nach dem Urteil der New York Times (NYT) verfolgt der US-Präsident einen Plan, für den er die Ukraine opfert.

Trump sieht in der Ukraine ein Hindernis „für ein seiner Ansicht nach weitaus wichtigeres Projekt“, schreibt NYT-Autor David E. Sanger. Dieses scheinbar neue Primärziel Trumps scheint die Normalisierung der Beziehungen der USA zu Wladimir Putins Russland zu sein, wie die New York Times von einem „hochrangigen europäischen Politiker“ erfahren haben will.

Demütigung Selenskyjs: Trump geht „all-in“, er setzt alles auf eine Karte: Sein erklärter Gegner ist China

Als der Republikaner Donald Trump am 20. Januar ins Oval Office zurückkehrte, war „die Welt ein gefährlicherer Ort als während seiner ersten Amtszeit“, hat das Magazin Newsweek geschrieben und offen gelassen, wie das gemeint ist. So machten die USA die Kehrtwende zur Politik des vielleicht am entschlossensten auftretenden republikanischen Präsidenten der Vereinigten Staaten: Ronald Reagan. Der 40. Präsident der USA regierte zwischen 1981 und 1989 und zündete mit seinem Vorhaben der weltraumgestützten Raketenabwehr SDI den weltweiten Rüstungs-Turbo.

„Gegen die Ukraine hat Putin trotz großer militärischer Überlegenheit keinen Durchbruch erzielt. Global ist er dagegen mit seinen Ordnungsvorstellungen erfolgreich.“

„Zwei Wochen vor der „Star-Wars“-Rede hatte Reagan im Rahmen einer Ansprache vor konservativen Christen die Sowjetunion als ‚Reich des Bösen‘ gegeißelt – als ‚Zentrum des Bösen in der modernen Welt‘. Im Programm der Republikaner, mit dem Reagan 1980 gewählt wurde, war zu lesen, die USA müssten massiv aufrüsten. Wegen der aggressiven Sowjetunion seien die Gefahren für die USA größer als jemals zuvor“, schreibt Konrad Ege im Freitag. Jetzt formulieren die USA entgegengesetzt.

„Die Vereinigten Staaten unterstützten die Integration Russlands in europäische und globale Institutionen und eine vertiefte bilaterale Partnerschaft in der Sicherheitszusammenarbeit, um die Grundlagen für Stabilität und Vorhersehbarkeit zu stärken. Russland lehnte diesen Ansatz letztlich ab“, veröffentlichte das U.S. Department of State, also das US-Außenministerium, noch im September 2021, das heißt, kein halbes Jahr vor Russlands völkerrechtswidrigem Überfall auf die Ukraine. Nach Meinung von Joshua Kurlantzick geht Trump jetzt sogar all-in und setzt alles auf eine Karte: Sein erklärter Gegner ist China.

Rückzug aus Ukraine-Krieg: Trump ist gewillt, sich mit dem „Reich des Bösen“ zu verbrüdern

Wobei das von vornherein absehbar war. Nur schien es lediglich den Eingeweihten klar, dass Trump bereit ist, sich mit dem „Reich des Bösen“ zu verbrüdern, um das „Reich des Noch-Böseren“ in die Knie zu zwingen: „Sollte die Trump-Regierung … Fortschritte machen, könnten Russlands historische und aktuelle Beziehungen zu den Staaten Süd- und Südostasiens hilfreich sein. Wenn die US-Kooperation mit Russland einige der globalen Erfolge Chinas schwächt und China möglicherweise in seiner Heimatregion stärker herausfordert, hätten die USA theoretisch mehr Geld, um ihre Partner in Asien zu unterstützen“, schreibt aktuell der Analyst des US-Thinktanks Council on Foreign Relations.

Donald Trump will also eine Achse mit Wladimir Putin bilden und inkludiert das Risiko, seine europäischen Satelliten zu verprellen – möglicherweise treffen sich mit Trump und Putin zwei Politiker-Charaktere mit den gleichen Allmachts-Fantasien. Die würden aber wohl ohnehin ins Leere laufen, prophezeit Analyst Kurlantzick; China sei in seiner Hemisphäre zu gut vernetzt, als dass ein ebenfalls mit Russland in Beziehungen stehender Staat wie Indien seine Beziehungen zu China gefährden könnte.

Allerdings setzt Trump jetzt wohl darauf, wie die New York Times nahelegt: Außenminister Marco Rubio soll in einem Interview mit Breitbart News deutlich gemacht haben, dass zugunsten eines trilateralen Interesses zwischen den Vereinigten Staaten, Russland und China notwendig sei „den Krieg hinter sich zu lassen“. Auch US-Verteidigungsminister Pete Hegesth soll sich als Advokat des Realismus gerieren, wie Daniel Fried anmerkt: Dass die Ukraine ihre von Russland besetzten Gebiete zurückerhält, sei kurzfristig vielleicht nicht realistisch, berichtet der Analyst des Thinktanks Atlantic Council die Aussagen Hegseths.

Trump und Vance als Putins verlängerter Arm: Bekenntnis zur Souveränität der Ukraine ist vorbei

Fried plädiert implizit dafür, den Status Quo als gegeben anzunehmen und argumentiert, dass viele Jahre auch unrealistisch gewesen sei, „sich vorzustellen, dass die baltischen Länder ihre Unabhängigkeit von Moskau zurückerlangen, dass es zu einer deutschen Wiedervereinigung oder zum Ende des Eisernen Vorhangs kommen würde. Aber alle drei sind eingetreten“. Damit legt Fried nahe, dass die Zeit alle Wunden heile. Oder vielleicht: Dass die Welt Trump und Putin gewähren lassen sollte.

Bei aller berechtigten Kritik an diesem Ansatz ist augenscheinlich, dass sich ein ukrainischer Präsident Wolodymyr Selenskyj keinesfalls darauf einlassen kann. „Ich will Garantien sehen“, soll Selenskyj Trump direkt ins Gesicht gesagt haben, womit er dem selbst ernannten obersten „Dealmaker“ offenbar einen Zacken aus der Krone gebrochen hat, denn Trump und Vizepräsident J. D. Vance hatten monatelang signalisiert, dass ihrer Meinung nach das amerikanische Bekenntnis zur Souveränität der Ukraine vorbei sei, wie David Sanger in der New York Times festgehalten hat.

Als ehern geltende Regeln sind seit dem 20. Januar ausgesetzt – seit dem Tag der Inauguration von Donald Trump zum 47. Präsidenten der USA. Als das von Ronald Reagan apostrophierte „Reich des Bösen“ gilt jetzt offenbar Europa. Insofern passend, wenn auch etwas peinlich, wirkt, was Zachary B. Wolf für CNN über das Verhalten der Staatschefs aus Frankreich und Großbritannien gegenüber Trump zu berichten weiß: „Beide versuchten, ihm Schmeicheleien zu machen. Macron erinnerte sich an Trumps Besuch in Notre Dame und Starmer überbrachte persönlich einen Brief von König Charles“, schreibt Wolf.

USA kennen keine Verbündeten mehr: das klare Bild eines kolossalen US-amerikanischen Strategiewechsels

Tatsächlich formt sich daraus das klare Bild eines kolossalen US-amerikanischen Strategiewechsels: Die Europäer verabschieden sich jetzt schmerzlich davon, dass ihre militärische Sicherheit weiterhin kostenfrei zu haben sein werde und sie ihren bisherigen Wohlstand weiterhin brutto für netto einstreichen könnten. Und tatsächlich hat auch keiner der ukrainischen Verbündeten bisher explizit gefordert, Russland müsse die volle Integrität der Ukraine wiederherstellen – beispielsweise in den Grenzen der Ukraine von 1991.

Wie Daniel Fried festhält, hätten die USA noch keinen dezidierten Forderungskatalog für Friedensverhandlungen aufgestellt: „Glücklicherweise drängte Hegseth die Ukraine nicht dazu, Territorium abzutreten. Ebenso wenig deutete er an, dass die Vereinigten Staaten bereit seien, die russische Besetzung von etwa 20 Prozent des Landes anzuerkennen“, schreibt Fried für Atlantic Council. Das Ergebnis könnte sein, dass Wladimir Putins Imperialismus durch einen Waffenstillstand einzufangen ist, weil er möglicherweise seine wirtschaftlichen und politischen Möglichkeiten bereits überreizt hat und auf eine Gelegenheit wartet, sein Gesicht zu wahren.

Möglicherweise sähe sich Putin dank eines gleichermaßen autoritär handelnden Staatenlenkers aber auch in seinen Ambitionen bestärkt: dass kulturell divergent aufgestellte Länder eine Gefahr für die Integrität des eigenen Gemeinwesens darstellen. Dann säße Europa in der Falle. Oder wie der Historiker Martin Schulze-Wessel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) behauptet: „Gegen die Ukraine hat Putin trotz großer militärischer Überlegenheit keinen Durchbruch erzielt. Global ist er dagegen mit seinen Ordnungsvorstellungen erfolgreich.“

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