Grüne könnten Merz mit einem einzigen Wort im Grundgesetz zur Aufgabe zwingen.

Die zukünftige Bundesregierung könnte den Begriff „Klimaneutralität“ im Grundgesetz verankern. Experten sehen darin ein mögliches Hindernis für Merz.
Berlin – Das milliardenschwere Paket für Verteidigung und Infrastruktur steht: Nach Verhandlungen zwischen Grünen, SPD sowie CDU und CSU zeichnet sich ab, dass am kommenden Dienstag zwei Drittel der Bundestagsabgeordneten für eine Änderung des Grundgesetzes stimmen werden. Diese Änderung bildet die Grundlage dafür, dass Friedrich Merz (CDU) wie geplant mit der SPD die neue Bundesregierung bilden kann. Allerdings gibt es dazu jetzt Widerstand aus Bayern.
Ein genauerer Blick auf die am Freitag gefundenen Kompromisse zeigt jedoch, dass das Paket in vielen Punkten die Handschrift der Grünen trägt, die voraussichtlich aus der Bundesregierung ausscheiden werden. Laut Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge wird durch die erzielten Kompromisse „im Grundgesetz verankert, dass diese Investitionen dem Ziel der Klimaneutralität 2045 dienen sollen“. Dies geschieht „erstmals so klar im Grundgesetz“. Ihre Betonung der Sorge um Deutschland in Anbetracht des sich verstärkenden Klimawandels und dessen Folgen für die Bevölkerung könnte einige Punkte der politischen Agenda von Friedrich Merz (CDU) untergraben, warnen Experten.
Kompromiss von Union, SPD und Grünen: Wirtschaftsexperte warnt vor „desaströsen Folgen“
Die Bild-Zeitung hat warnende Stimmen zum Kompromiss eingeholt. „Falls das ins Grundgesetz aufgenommen wird, ist damit zu rechnen, dass das Bundesverfassungsgericht Investitionen verhindert, das Wachstum verlangsamt oder ganz ablehnt“, warnt Jan Schnellenbach, Wirtschaftswissenschaftler an der TU Cottbus-Senftenburg. Er prognostiziert folgendes Szenario: „Umweltgruppen könnten gegen nahezu alle Investitionen klagen. Jede Autobahn-Sanierung könnte dann in Gefahr sein.“
Kritik kommt ebenfalls von einem renommierten Verfassungsrechtler. Josef Franz Lindner von der Universität Augsburg äußert sich zu den Plänen der Grundgesetzänderung von Union, SPD und Grünen: „Politische Detailziele ins Grundgesetz zu schreiben, ist dysfunktional. Es verpflichtet die staatlichen Organe, diese Ziele unbedingt und mit allen Mitteln zu erreichen, ohne Abwägungsmöglichkeiten – zum Nachteil von Wirtschaft und Gesellschaft. Das könnte desaströse Folgen haben.“ Demnach wäre mit dem Begriff „Klimaneutralität“ jede politische Handlung von Merz unter Druck gesetzt. Ob der Umbau Deutschlands angesichts des fortschreitenden Klimawandels als politisches Detailziel betrachtet werden kann oder ob Versäumnisse in diesem Bereich schwerwiegende Folgen haben würden, wird von anderen Experten allerdings anders bewertet.
Merz selbst hatte die Ergebnisse gelobt. „Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden“, hatte er gesagt. Im Hinblick auf bevorstehende Entscheidungen in der EU und der NATO sei Deutschland wieder „zurück“ und leiste „seinen großen Beitrag zur Verteidigung der Freiheit und des Friedens in Europa.“ Ob der Schritt in Richtung Millionen-Schulden und Investitionen jetzt klug oder riskant ist, wird von Experten intensiv diskutiert. Manche sehen darin auch eine große Gefahr für das Vermächtnis einer Merz-Kanzlerschaft.
Klima-Bilanz der Grünen in der Regierung – Habecks Fazit
Unterdessen zieht der amtierende Wirtschaftsminister, Robert Habeck (Grüne), Bilanz: Deutschland befindet sich bei den Klimazielen auf dem richtigen Weg, die letzten drei Jahre könnten als „Wendepunkt“ wahrgenommen werden. Fortschritte sieht er unter anderem beim Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze, während der Gebäudesektor durch das nach wie vor umstrittene Heizungsgesetz eine Trendumkehr erfahren müsse. Als er Ende 2021 Minister wurde, habe er eine Klimaschutzlücke von 1.200 Millionen Tonnen CO2 bis 2030 geerbt, so Habeck. Mit neuen Projektionsdaten habe man bis 2030 sogar einen Puffer von 80 Millionen Tonnen. Dass es in der Industrie CO2-Einsparungen gegeben habe, läge teilweise an der rückläufigen Wirtschaft, musste der Minister eingestehen. Doch auch mit einem neuerlichen Wirtschaftswachstum sei der Sektor auf Kurs.
Der Verkehrssektor bereitet derzeit weiterhin Sorgen. Die FDP hatte zum Beispiel ein generelles Tempolimit abgelehnt. Zudem sagte Habeck rückblickend, dass das Streichen der staatlichen Förderung für Elektroautos Ende 2023 ein Fehler gewesen sei. Die Koalition musste damals nach einem Haushaltsurteil sparen. Der Minister stellte klar, dass es damals um „Kleckerbeträge“ ging – im Vergleich zu den Summen, um die es nun beim geplanten Sondervermögen für Infrastruktur von 500 Milliarden Euro geht. (dpa/kat)