Scholz bringt Milliarden nach Brüssel
Die Trump-Regierung ignoriert Europa – eine herausfordernde Situation für den EU-Sondergipfel. Noch-Kanzler Olaf Scholz wird Deutschland vertreten und hat sich vorbereitet.
In den letzten Tagen seiner Amtszeit arbeitet Olaf Scholz weiterhin aktiv. Trotz der Herausforderungen auf der globalen Bühne ist der SPD-Politiker in diesen letzten Tagen sehr präsent. Am Wochenende war er in London und betonte die Unabhängigkeit der Ukraine: „Russland hat stets versucht, eine von ihnen kontrollierte Regierung in der Ukraine zu installieren.“ Das kann nicht akzeptiert werden, so Scholz.
Am Donnerstag reist er zum EU-Sondergipfel nach Brüssel. Nach dem Stopp amerikanischer Hilfen für die Ukraine richtet sich der Fokus auf Deutschland als zweitgrößtem Unterstützer des Landes.
Die Verteidigungsexpertin Sara Nanni von den Grünen fordert im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio schnelles Handeln. In der gegenwärtigen Lage darf Europa keine Zeit verlieren; es sind klare Entscheidungen gefragt.
Grüne warnen vor mangelnder Abstimmung
Die Bundestagsabgeordnete beschreibt die Situation so: „Die USA ziehen sich komplett aus der Verantwortung für die europäische Sicherheitsarchitektur zurück.“ Es ist jetzt entscheidend, dass der amtierende Kanzler und sein möglicher Nachfolger Friedrich Merz koordinieren. Ansonsten besteht die Gefahr, dass „Deutschland nicht handlungsfähig ist“, was negative Auswirkungen auf die EU-Entscheidungen haben könnte.
Das Kanzleramt versucht, die Situation zu beruhigen: Scholz sei „abschlussfähig“, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch erklärte. Er verweist auf ein Treffen zwischen Scholz und Merz am Vortag des EU-Sondergipfels und fügt hinzu: „Man kann sich jederzeit schnell rückversichern.“
Der amtierende Kanzler hält auch Kontakt zum ukrainischen Präsidenten. In einem Telefonat am Mittwoch versicherte er Wolodymyr Selenskyj, dass Deutschland weiterhin an der Seite der überfallenen Ukraine steht. Der ukrainische Staatschef wird ebenfalls am Gipfel teilnehmen.
Merz trifft in Brüssel andere konservative Spitzenpolitiker
Neben Scholz ist auch CDU-Chef Merz in Brüssel. Allerdings wird Merz nicht am Verhandlungstisch platznehmen – was inmitten der Regierungsbildung unüblich ist. Stattdessen ist ein Treffen mit konservativen Spitzenpolitikern aus anderen EU-Ländern geplant.
Scholz bringt jedoch konkrete Vorschläge zum Gipfeltreffen mit. Die Einigung zwischen Union und SPD auf höhere Verteidigungsausgaben sollte es ihm erleichtern, anderen Regierungschefs Zusagen zu geben.
Unionsfraktionsvize Johann Wadephul kündigt ein Überbrückungspaket für die Ukraine an. In einem Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio schätzt der CDU-Politiker das Paket auf etwa 20 Milliarden Euro, wovon rund drei Milliarden aus Deutschland bereitgestellt werden könnten. Wadephul betont, dass es wichtig sei, „gerade in der aktuellen Situation ein klares Signal der Unterstützung an die Ukraine zu senden.“
Ukraine: Bald drei Milliarden zusätzlich für Verteidigung?
Diese zusätzlichen Ukrainehilfen werden bereits seit einiger Zeit diskutiert. Der Hintergrund ist, dass im aktuellen Haushaltsplan nur vier Milliarden Euro für Militärhilfen eingeplant sind – deutlich weniger als für das Haushaltsjahr 2024. Bereits diese Mittel sind verplant, wie in Berlin berichtet wird. Aufgrund des Wahlkampfs gab es Uneinigkeit darüber, wie die Mittel bereitgestellt werden sollten.
Die Grünen-Politikerin Nanni wirft Scholz vor, die Hilfen blockiert zu haben: „Der Bundeskanzler hat das seit Monaten ausgebremst.“ Nach dem Stopp der US-Hilfen für die Ukraine sieht Nanni jedoch den richtigen Zeitpunkt gekommen, „von der Bremse zu gehen“. Mit einem Finanzpaket des schwarz-roten Sondierungsteams könnte eine Lösung in greifbare Nähe rücken.
Linke befürchtet neue Aufrüstung in Europa
Es gibt jedoch auch Kritik in Berlin an neuen Militärhilfen für Kiew und an allgemeinen höheren Verteidigungsausgaben. Linke-Chef Jan van Aken warnt die EU-Staaten davor, „Weltmachtansprüche“ zu erheben und sich auf Augenhöhe mit China, Russland und den USA zu wähnen. „Europa muss als Friedensmacht auftreten, verteidigungsfähig sein, aber nicht mehr.“ Die Linke lehnt eine neue Aufrüstung in Europa ab, bleibt jedoch damit im künftigen Bundestag eher isoliert.
Ob Befürworter oder Kritiker höherer Verteidigungsausgaben: Beide Seiten blicken an diesem Donnerstag gespannt nach Brüssel, wo die EU-Kommission mit den Mitgliedsstaaten über Pläne zur Stärkung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik beraten wird. „Wir müssen uns darauf einstellen“, sagt der CDU-Politiker Wadephul, „dass wir den Westen ohne die Führungsrolle der USA organisieren müssen“. Ein Szenario, das vor wenigen Monaten noch unvorstellbar erschien.